27. August 2015
Am Morgen frühstückten wir nochmal lecker in unserer Unterkunft, beglichen den noch ausstehenden Rechnungsbetrag und verfrachteten unser Gepäck ins Auto. Dann ging es auch schon los. Noch einmal fuhren wir quer durch die Innenstadt von Kapstadt und dort auf die N1, die uns direkt in die Winelands hineinführte. So langsam überkam uns das typische Roadtrip-Gefühl von absoluter Freiheit und gespannter Erwartung.
Unser heutiges Tagesziel war das Städtchen Paarl. Aber zunächst wollten wir ein bisschen durch das wunderschöne Weingebiet cruisen, ein paar Weingüter besuchen und die hübschen Orte Stellenbosch und Franschhoek erkunden. Das Wetter war schön – zwar etwas diesig, aber recht sonnig mit nur wenigen Wolken. So ließ es sich prima aushalten.
Bei Klapmuts verließen wir die N1 und folgten der R44, bis auf der linken Seite die Einfahrt zum Delheim Wine Estate auftauchte. Knapp 4 km folgten wir der schmalen Asphaltstraße und erfreuten uns an dem Blick über die Weinberge. Das Weingut liegt sehr idyllisch an den Hängen des Simonsberges und gehört zum Weinbaubereich Stellenbosch. Es gibt ein Gartenrestaurant mit Ausblick auf den Tafelberg, in dem man frühstücken und zu Mittag essen kann. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, an Weinproben teilzunehmen und Picknickkörbe mit allerlei Leckereien zu erwerben. Es scheint auf dem Gelände des Gutes auch verschiedene Wanderwege zu geben.
Den nächsten Zwischenstopp legten wir im nicht weit entfernten Stellenbosch ein, das wunderschön in einem fruchtbaren Tal liegt und als eines der besten Weinanbaugebiete Südafrikas gilt. Wir parkten in einer Nebenstraße der historischen Dorp Street, welche wir dann bei einem Spaziergang erkundeten. Auf der Straße stehen einige der ältesten und besterhaltenen kapholländischen Häuser Südafrikas. Auch den über 100 Jahre alten Krämerladen „Oom Samie Se Winkel“, der zum Stöbern einlädt, findet man hier. Uns gefiel der Bummel entlang der hübschen, weiß getünchten Häuser, Geschäfte und Cafés sehr. Zufälligerweise entdeckten wir sogar eine Bank, bei der wir etwas Geld umtauschen konnten. Das Bargeld war uns mittlerweile nämlich nahezu ausgegangen.
Leider blieb uns viel zu wenig Zeit, um Stellenbosch ausgiebiger unter die Lupe nehmen zu können. Na ja… beim nächsten Mal dann.
Von Stellenbosch aus waren wir schnell und einfach auf der R310, die uns zum sehr schön gelegenen Wine Estate „Neethlingshof“ führte. An der Eingangspforte mussten wir uns registrieren und den Grund unseres Besuchs angeben. Wir gaben einfach „Lunch“ an – das passte ganz gut, da gerade Mittagszeit war. In Wahrheit wollten wir uns das Weingut aber nur mal angucken. Wir hatten weder Hunger, noch wollten wir um diese Tageszeit Wein trinken. Das war im Endeffekt auch relativ egal, denn später fragte uns niemand mehr nach dem Anlass unseres Kommens.
Nachdem wir das Tor passiert hatten, fuhren wir eine imposante Baumallee entlang, die schnurstracks auf das großzügige Anwesen zuführte. Wir erreichten schließlich den Parkplatz und stellten beruhigt fest, dass wir bei weitem nicht die einzigen Besucher waren. Dann würden wir wenigstens nicht so sehr auffallen.
Nach ein paar Schritten standen wir vor dem pittoresken, mehr als 300 Jahre alten Herrenhaus, in dem heute das Restaurant „Lord Neethling“ untergebracht ist. Umgeben von gepflegten Gartenanlagen und einer wunderschönen Hügel- und Berglandschaft, ist dieser Platz an Idylle kaum zu übertrumpfen.
Nach einigen Fotos verließen wir den Neethlingshof wieder und peilten unser nächstes Ziel an: Das im Franschhoek-Tal gelegene Boschendal Wine Estate. Der R310 weiter folgend, erreichten wir die Zufahrt zu dem Gut in ca. 25 Minuten. Auch hier mussten wir uns am Tor registrieren. Das Anwesen ist riesig und mit seiner prächtigen Architektur, dem großen Garten, den Orangenheinen, den herrlichen Bergen und nicht zuletzt dank seiner herausragenden Weine DAS Vorzeige-Weingut in der Region. Das Herrenhaus kann man gegen ein Eintrittsgeld besichtigen; des Weiteren gibt es drei verschiedene Restaurants (The Werf, Rhone Homestead und The Farmshop & Deli) die für das leibliche Wohl sorgen und einen Picknickplatz. Das weitläufige, zum Gut gehörende Gelände kann man zu Fuß auf verschiedenen Wanderwegen oder auch per Fahrrad erkunden.
Wir machten einen kleinen Spaziergang entlang der historischen Gebäude und durch den malerischen Orangengarten. Dann war es auch schon höchste Eisenbahn, die Weiterfahrt anzutreten.
Durch Franschhoek konnten wir aus Zeitmangel leider nur hindurch fahren. Das fanden wir extrem bedauerlich, denn das kleine Städtchen ist wirklich ausgesprochen hübsch und liegt noch dazu malerisch eingebettet zwischen Bergen im lieblichen Franschhoek-Tal. Viele Cafés, Restaurants, Geschäfte und schicke Unterkünfte laden zum Verweilen ein. Die zahlreichen Weingüter mit ihren sich an den Berghängen hochziehenden Weinstöcken komplettieren das wunderschöne Landschaftsbild. Sollten wir wieder einmal nach Südafrika reisen, wollen wir auf jeden Fall ein paar Tage in dieser tollen Region verbringen!
Am Ende des Ortes folgten wir der R45 und gelangten auf eine Passstraße. Nach einer Weile boten sich uns spektakuläre Ausblicke über das weite Franschhoek-Tal. Ich habe selten eine so malerische Gegend gesehen. Wir hielten an jeder Parkbucht an und kamen aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Was für ein schönes Fleckchen Erde!
Am Ende der Straße fuhren wir nach links auf die R321 in Richtung Villiersdorp. Dort ging es dann weiter auf der R43 nach Worcester. Hier gab es nur noch wenige Weingüter, aber die Landschaft gefiel uns ausgesprochen gut. Schließlich nahmen wir die R101 nach Paarl. Anstatt jedoch durch den Huguenot Tunnel zu fahren, nahmen wir lieber die Passstraße, die kurz vor dem Tunnel über die Berge führt. Wir hatten die Hoffnung, auf diesem Weg noch ein paar schöne Blicke auf Paarl werfen zu können.
Doch daraus sollte leider nichts werden: bereits nach wenigen Kehren wurde es immer bewölkter und trüber, und je höher wir kamen, desto nebeliger wurde es. Als wir um die letzte große Kurve fuhren und so auf die andere Bergseite gelangten, war der Nebel dermaßen dicht, dass wir mit Mühe und Not das Auto vor uns erkennen konnten. Was für ein Pech. An dieser Stelle gibt es eine richtig schöne, große Picknickbucht, von der aus man bei guter Sicht über das Weingebiet rund um Paarl schauen kann. Doch heute sah man leider nichts außer einer weißen, undurchdringlichen Wand.
Etwas enttäuscht fuhren wir den Berg hinunter und erreichten kurze Zeit später die Townships und dann das Zentrum von Paarl. Die Stadt gefiel uns überhaupt nicht. Als größte Industriestadt am Westkap hat sie bei weitem nicht den Charme, den Stellenbosch und Franschhoek versprühen. Das fruchtbare Umland ist zweifelsohne sehr schön, aber die Stadt selber ist kein Highlight.
Die Anfahrt zu unserer Unterkunft, dem Perle-du-Cap B&B, stellte sich als kleine Herausforderung dar. Das Haus liegt nämlich hoch oben am Berghang; die Straße, die dorthin führt, ist sehr schmal und steil und endet in einer Sackgasse. Unser Auto fand es gar nicht so toll, als wir kurz anhalten mussten um ein anderes Auto durchzulassen. Beim Anfahren drehten die Reifen durch und es fing direkt an, nach Gummi zu stinken. Mit etwas Geschick fanden wir auf dem kleinen, abschüssigen Vorhof des B&B noch einen Parkplatz. Wir waren echt froh, als der Wagen endlich stand und wir aussteigen konnten. Eine freundliche Hausangestellte begrüßte uns und zeigte uns unser Zimmer. Wir bezogen die French Suite, die über einen großen, hübsch eingerichteten Schlaf-/Wohnraum und ein stylisches Badezimmer verfügt. Es gibt einen Eingang von der Terrasse aus, so dass man nicht durch das Haus laufen muss, um zum Zimmer zu gelangen. Die Aussicht von der Terrasse ist überwältigend: Man blickt über ganz Paarl und auf die malerische Kulisse der Hottentots-Holland-Berge. Trotz der starken Bewölkung war der Blick immer noch sehr eindrucksvoll; nur die Berge lagen leider im Nebel. Nachdem wir uns kurz eingerichtet hatten, machten wir erstmal eine kleine Fototour über das Anwesen. Der Pool ist wunderschön gelegen und von viel Grün umgeben. Außerdem gibt es einen Whirlpool mit Wasser aus einem Wasserfall. Im Garten entdeckten wir zwei junge, rote Kater, die quirlig herumtollten. Die beiden mussten wir natürlich eine Weile beobachten und kraulen.
Ganz erschrocken stellten wir irgendwann fest, dass es schon leicht dämmerte, und ein Blick auf die Uhr bestätigte, dass es höchste Zeit war, uns fürs Abendessen fertig zu machen. Wir hatten bereits von zu Hause aus einen Tisch im renommierten Restaurant des Grande Roche Hotels gebucht. Hier hatten wir uns schon bei unserem letzten Südafrikaurlaub vor 8 Jahren mit einem mehrgängigen Menü und hervorragendem Wein verwöhnen lassen.
Wir machten uns frisch, warfen uns in Schale, und dann ging’s auch schon los mit dem Auto. Aber was war das? Kaum war der Motor gestartet, piepte unser Corsa penetrant und unaufhörlich vor sich hin. Wir kontrollierten, ob alle Türen geschlossen sind, aber daran lag es leider nicht. Ratlos fuhren wir erstmal los, denn wir wollten nicht zu spät kommen. Vielleicht würde das Gebimmel ja irgendwann von allein aufhören. Doch dem war unglücklicherweise nicht so. Als wir pünktlich um 19 Uhr etwas genervt die Eingangspforte zum Grande Roche Hotel passierten, piepste der Wagen immer noch. Achselzuckend parkten wir und stellten schnell den Motor aus. Endlich kehrte Ruhe ein. Das Problem würde warten müssen.
Auf dem Weg zum Manor Haus, in dem sich das Bosman’s befindet, wurden wir bereits von einem herausgeputzten Kellner empfangen und ins Restaurant geleitet. Wie sich herausstellte, waren wir die ersten und einzigen Gäste (später sollte sich noch ein älteres Ehepaar hinzu gesellen). Prompt wurden wir von 5 Kellnern umwuselt… jeder war für etwas anderes zuständig und eifrig bemüht, seiner Pflicht nachzukommen. Einer nahm uns die Jacken ab, der nächste führte uns in ein kleines, intimes Kaminzimmer (den „Private Dining Room) und zog uns die Stühle zurecht, ein anderer legte uns die blütenweißen Servietten auf den Schoß, noch ein anderer reichte uns die Menükarten und stellte die Optionen vor, und eine stets freundlich lächelnde junge Kellnerin reichte uns Brötchen, Laugengebäck und Butter. Das war ja alles sehr nobel und nett gemeint, aber in uns machte sich ein leichtes Unbehagen breit.
So viel Aufmerksamkeit war uns einfach zu viel. Gerade begannen wir uns ein bisschen zu entspannen, da wieselte schon wieder ein Kellner herbei und empfahl uns einen Aperitif. Wir bestellten zwei Gläser Sekt, die wir prompt serviert bekamen. Bevor wir auch nur daran nippen konnten, wurden wir mit der buchdicken Weinkarte konfrontiert. Oje… sowas ist für uns Weinbanausen natürlich ein Graus. Vorsichtshalber baten wir um eine Empfehlung. Aber so leicht ging das natürlich nicht. Erstmal wollte der Kellner von uns genauestens wissen, welche Hauptspeisen wir zu wählen gedenken und ob es ein Rotwein, Weißwein oder Rosé sein soll. Dann bekamen wir einen umfassenden Vortrag zu verschiedenen, passenden Weinen, ihren Herkunftsorten und Eigenschaften. Etwas paralysiert starrten wir unser wortgewandtes Gegenüber an und nickten hin und wieder wissend, obwohl wir nicht mal die Hälfte verstanden. Schließlich wählte Frank eine Flasche Weißwein aus der Swartland-Region, die auch preislich passte. Verzückt nickte der Kellner, der aus genau dieser Region stammte und zockelte zufrieden von dannen. Das war offenbar der Startschuss für den Kellner, der uns schon draußen in Empfang genommen hatte. Er tänzelte zu unserem Tisch, verneigte sich leicht und nahm unsere Speisenauswahl zu Protokoll. Wir wählten beide ein 4-Gänge-Menü und entschieden uns bewusst bei jedem Gang für unterschiedliche Gerichte.
Nun bot sich tatsächlich mal die Gelegenheit, durchzuatmen, einen Schluck Sekt zu trinken und ein Stück Gebäck zu vertilgen. Dann kam auch schon der Weinkellner mit der Flasche Swartland-Wein zurück. Frank verkostete den edlen Tropfen und nickte anerkennend, woraufhin wir beide einen Schluck in die großen Weinkelche eingeschenkt bekamen. Kurz darauf kam auch schon das Amuse-Geule: ein kleines Stück Stück Lammfilet (von außen leicht angebraten, von innen roh) mit Gemüsevariation im Bierteig, einem Kleks Soße und Kräuterdeko. Die Portion war winzig aber unglaublich lecker.
Jetzt freuten wir uns schon auf die erste Vorspeise. Diese ließ gar nicht so lange auf sich warten. Ich bekam eine fein angerichtete Kombination aus Romanesco Couscous, Wintergemüse, Apfel und mariniertem Dinkel, was sehr gut schmeckte aber nichts Außergewöhnliches war. Frank hatte sich eine vegetarische Frühlingsrolle Thailänderart mit Riesengarnele, Cashewkernen und einer Chili- Limonen-Koriander-Emulsion ausgesucht und war davon sehr angetan. Die zweite Vorspeise gefiel uns beiden ausgesprochen gut. Mich erwartete eine köstliche Meeresfrüchteterrine mit Jakobsmuscheln, Shrimps, Miesmuscheln und Muschelschaum an einer Gartengemüsebrühe, während Frank sich über eine Rote-Beete-Suppe mit Ziegenkäseravioli hermachte. Das Highlight waren zweifelsohne unsere Hauptspeisen: Im Ofen geröstetes Oryxfilet mit gebackener Guacamole und Maiskölbchen für mich und Ofen gebackenes Karoo Lammfilet in einer Kräuterkruste mit Bohnen im Speckmantel und Kartoffelbällchen für Frank. Es war wirklich ein absoluter Genuss und dazu natürlich wunderschön angerichtet.
Der Nachtisch rundete das tolle Essen schließlich wunderbar ab. Hier trat meine Himbeer-Erdbeer-Variation mit Cheesecake Mousse gegen Franks Schokoladen Soufflé mit Karamell-Vanille-Eis, Cashewkernen und Orangensalat an und gewann mit klarem Abstand. Das war einfach zum Reinsetzen lecker!
Da wir ja – wie schon erwähnt – seit der Vorspeise das Kaminzimmer mit einem älteren Ehepaar teilten, hatte sich die Lage mit den Kellnern im Laufe des Abends etwas entspannt. Klar waren sie immer noch sehr engagiert und stets zur Stelle, aber Gott sei Dank nicht mehr ganz so fokussiert auf uns. Gemütlich und überwiegend ungestört tranken wir unseren Wein und ließen den schönen Tag noch einmal Revue passieren. Gegen 21 Uhr bestellten wir die Rechnung. Ich stellte plötzlich fest, dass ich hundemüde war. Der Wein hatte wohl eine einschläfernde Wirkung auf mich. So war ich froh, als wir die Rechnung – die zugegebenermaßen recht saftig war – beglichen hatten, die Jacken gebracht bekamen und aus dem Restaurant geleitet wurden.
Kaum hatten wir das Auto gestartet, ging das Gebimmel wieder los. Stimmt, da war ja noch was… Wir hatten es schon ganz verdrängt. Während wir vom Hotelgelände runterfuhren und es so vor sich hin bimmelte, kam uns plötzlich ein Geistesblitz: Vielleicht war ja der Kofferraum nicht richtig geschlossen?! Frank hielt an, sprang aus dem Wagen und schlug die Klappe noch mal richtig zu. Und siehe da: Der brave Corsa gab sofort Ruhe So einfach kann es manchmal sein. Wir waren erleichtert, denn wir hatten uns schon fast damit abgefunden, am nächsten Tag zu einer Avis-Station fahren zu müssen um den Wagen zu reklamieren. Na das wäre peinlich geworden…
Nun konnten wir ohne störende Piepton-Untermalung zu unserer Unterkunft zurück fahren und beruhigt ins Bett fallen.