03. September 2015
Um etwa 05:40 Uhr war unsere Nacht schon zu Ende. Unser Plan für den heutigen Tag war, möglichst ausgedehnte Pirschfahrten durch den Addo-Park zu unternehmen. Das Tor zum Park wird um 6 Uhr geöffnet und am Abend gegen 18 Uhr geschlossen. Diese Zeit gilt es also gut zu nutzen. Es schien ein perfekter, sonniger Tag zu werden. Wir konnten uns also freuen.
Auf dem Weg zum Tor glaubte ich im Vorbeifahren einen Duiker im Gebüsch gesehen zu haben, aber als wir zu der Stelle zurücksetzten war die scheue Antilope natürlich schon verschwunden. Das Gate passierten wir gegen 6.30 Uhr. Unser Ticket brauchten wir gar nicht mehr vorzuzeigen, denn die junge Rangerin, die bereits gestern Abend dort gestanden hatte, erkannte uns wieder, strahlte übers ganze Gesicht und winkte uns einfach durch.
Schon nach kurzer Fahrt entdeckten wir am Straßenrand einen Schakal, der eingerollt wie eine Katze unter einem Gebüsch lag. Leider erschreckte er sich vor dem Motorengeräusch und verzog sich ins Dickicht.
Unser erstes Ziel für heute war das Rooidam Wasserloch. Eigentlich kann man hier sehr häufig Elefanten beobachten, aber wie schon gestern Nachmittag, war dieser Ort verwaist. So fuhren wir weiter zum Harpoor Dam. Auch hier gab es keine Elefanten zu sehen, aber zumindest konnten wir einige Zebras im schönsten Morgenlicht beobachten. Ansonsten sahen wir, versteckt im Gebüsch, einen Büffel und natürlich die üblichen Verdächtigen: Warzenschweine, Kudus und Leierantilopen.
Gegen 9 Uhr waren wir zurück im Camp und frühstückten gemütlich im Cattle Baron. Wir hatten beide das Baron’s Omelette mit Cheddar, Frühlingszwiebeln, Tomaten, Speck und Pilzen. Dazu gab es Toast, Kaffee und O-Saft. Im Anschluss streiften wir kurz durch den Souvenirshop, wo wir einen Kühlschrankmagneten und ein paar Getränke kauften.
Nach der kurzen Pause starteten wir unseren nächsten Gamedrive. Wir wollten weiter in den südlichen Teil des Parks fahren, um dort hoffentlich den einen oder anderen Elefanten zu finden. Gemütlich fuhren wir die „Hauptstraße“ entlang, kamen vorbei am Marion Baree Waterhole und legten eine kurze Toilettenpause bei Jack’s Picknick Site ein. Während der Weiterfahrt sahen wir wieder etliche Mistkäfer. Dieses Mal nahmen wir uns die Zeit für einen Stopp und beobachteten die fleißigen Kerlchen aus der Nähe. Man mag es kaum glauben, aber das war ganz großes Kino: Zwei der Käfer stritten und kämpften verbissen um eine große Dungkugel. Dabei kletterte einer der Käfer auf die Kugel und verteidigte sie nach Leibeskräften von oben. Der andere Käfer, der sich anschickte, die Kugel in seine Gewalt zu bringen, landete bei dem Versuch, das begehrte Objekt zu erklimmen, immer wieder auf Rücken und strampelte dann wild mit seinen Beinen, um sich wieder aufzurichten. Mit Mühe kam er schließlich auf die Beine und startete sofort einen neuen Angriff. Wir waren vollkommen fasziniert und konnten uns kaum von diesem einmaligen Schauspiel lösen. So verbrachten wir relativ viel Zeit hier, bevor wir uns endlich an unser Vorhaben Elefanten zu sehen erinnerten und weiterfuhren.
Bald überquerten wir die Verbindungsstraße zwischen der N10 und der Stadt Addo und kamen so in den südlichen Teil des Parks. An der ersten Kreuzung bogen wir nach links auf den Ngulube Loop ab. Kurz darauf entdeckten wir zufällig einen Elefantenbullen im dichten Busch. Endlich unser erster Elefant. Es gab sie also doch! Zwar war der Dickhäuter die meiste Zeit vom dichten Buschwerk verdeckt, aber das war uns vor lauter Freude ziemlich egal. Eine ganze Weile verharrten wir und beobachteten, wie das Tier durch den Busch zog. Kaum fuhren wir weiter, da mussten wir auch schon wieder anhalten. Mitten auf der Piste kam uns ein Spitzmaulnashorn entgegen getrottet. Wir waren ganz aus dem Häuschen und konnten unser Glück kaum fassen. Frank machte sich schon darauf gefasst, rückwärtsfahren zu müssen, da bog das Nashorn vom Weg ab und wurde sofort von der dichten Vegetation verschluckt. Im Vorbeifahren konnten wir es nicht mehr erkennen.
Im weiteren Verlauf des Loops kamen wir durch eine hübsche Hügellandschaft. An einigen Stellen bot sich eine tolle Übersicht über die Weiten des Parks und das schier endlose Buschland. Vor uns auf dem Weg tauchten plötzlich drei Zebras auf. Sie trabten immer vor uns her und kamen nicht im Entferntesten auf die Idee, ins Dickicht abzubiegen. Immer wieder rannten sie von rechts nach links, bis sie endlich einen geeigneten Weg ins Gebüsch fanden und verschwanden.
Nach etwas mehr als 10 km war der Ngulube Loop zu Ende, und wir kamen wieder auf die Hauptstraße. An der nächsten Kreuzung bogen wir auf den Vulkani Loop ab. Zunächst gab es hier, bis auf reichlich Elefantendung, nicht viel zu sehen. Lediglich ein paar Warzenschweine ästen am Straßenrand und ließen sich gar nicht aus der Ruhe bringen. Wir waren noch nicht weit gekommen, da trauten wir unseren Augen kaum: Mitten auf der Piste kam ein großer Elefant direkt auf uns zugelaufen. Zunächst waren wir einfach nur begeistert und ganz entspannt. Ich machte eifrig Fotos, während Frank immer wieder das Auto ein Stück zurücksetzte, um Abstand zu dem Koloss zu halten. Die Straße war recht schmal, und auf beiden Seiten standen dichte Büsche. So blieb uns gar nichts anderes übrig, als nach hinten auszuweichen. Der Elefant jedenfalls machte keinerlei Anstalten das Feld zu räumen und im Gebüsch zu verschwinden. Anlegen wollten wir uns mit dem Dickhäuter auf keinen Fall. Der konnte uns mitsamt dem Auto ja locker umwerfen… oder zumindest das Auto zerbeulen. Darauf hatten wir keine Lust.
Eine ganze Weile ging das Spielchen so weiter: Frank fuhr einige Meter zurück, dann warteten wir und beobachteten, wie der Elefant uns in aller Seelenruhe entgegen bummelte. Er scheuchte eine Warzenschweinfamilie auf, die verschreckt auseinanderstob, aber er dachte gar nicht daran, den Weg zu verlassen. Naja, dachten wir, dann fahren wir halt rückwärts bis zur Kreuzung und sind spätestens dann aus dem Schneider! Aber denkste… plötzlich tauchte ein anderes Auto hinter uns auf. Und dann noch eins. Und noch eins. In Nullkommanichts hatte sich ein Stau gebildet, und während die Leute in dem Auto hinter uns noch schnallten, was los ist, machten die dahinter keine Anstalten, zurückzufahren. So langsam gerieten wir wirklich in Wohnungsnot, denn nun war unsere einzige Ausweichmöglichkeit blockiert.
Und der Elefant kam näher und näher. Leicht panisch drehte ich mich um und gestikulierte wild, dass die Autos zurücksetzen sollten, aber natürlich half das nicht. Es waren mittlerweile viel zu viele Autos. Der Elefant war schließlich nur noch wenige Meter von uns entfernt. Keine Ahnung, was er tun würde, wenn wir ihm nun den Weg versperrten. Er sah nicht so aus, als würde er da Spaß verstehen. Mit seinem schwenkenden Rüssel und den schlackernden Ohren sah er ziemlich bedrohlich und riesengroß aus. Ich hatte mich schon innerlich auf einen Crash eingestellt, da hatte der Kerl doch noch ein Einsehen und bog unmittelbar vor uns ins Gebüsch ab. Mann, was waren wir erleichtert. Noch eine ganze Weile raste mein Herz wie bekloppt und meine Hände zitterten.
Nun kamen wir also doch noch dazu, den Vulkani Loop entlang zu fahren. Bis auf ein paar Warzenschweine trafen wir hier keine weiteren Wildtiere. Als der Rundweg geschafft war, bogen wir nach links auf die Hauptstraße ab und wenig später wieder links auf den fast 16 km langen Harvey’s Loop.
Irgendwann sahen wir vor uns ein stehendes Fahrzeug. „Der beobachtet bestimmt irgendein Tier“, dachten wir und rollten neugierig näher. Dann sahen wir den Elefanten, der mitten auf dem Weg vor dem anderen Wagen herlief. Dieser Dickhäuter marschierte glücklicherweise in die gleiche Richtung, in die wir fuhren, so dass wir einfach nur stehen bleiben und abwarten mussten, bis er in den Busch abbog. Dann ging es auch schon zügig weiter.
Kurz darauf stand das andere Fahrzeug schon wieder und blockierte den Weg. Als wir sein Rückfahrlicht aufleuchten sahen und es langsam rückwärts auf uns zu rollte, konnten wir uns in etwa vorstellen, was uns erwartet. Und richtig: Wieder nutzte ein Elefantenbulle die bequeme Sandpiste um sich fortzubewegen. Ganz gemächlich näherte er sich, so dass auch Frank schnell den Rückwärtsgang einlegte und einige Meter zurücksetzte. Lustigerweise versuchte der Fahrer des anderen Autos, uns mit Winksignalen dazu zu bewegen, an ihm vorbeizufahren. Was für ein Spaßvogel! Wir ließen uns natürlich nicht darauf ein und blieben schön brav hinter ihm. Nochmal wollten wir nicht in der ersten Reihe stehen.
Relativ bald bog der Dickhäuter gottseidank in den Busch ab, und wir konnten weiterfahren. Im Vorbeifahren sahen wir noch, wie er im Gebüsch mit einem anderen Bullen rangelte und seine Kräfte maß. Auch auf der Weiterfahrt begegneten wir noch einigen Elefanten, die sich recht nah an der Straße befanden, aber an denen konnten wir problemlos vorbeifahren.
Am Ende des Loops fuhren wir wieder nach links auf die Hauptstraße und machten uns auf den Rückweg in den nördlichen Teil des Parks. Wieder konnten wir jede Menge fleißige Mistkäfer beobachten. Auf der leicht abschüssigen Straße hatten die Tierchen sichtliche Mühe, ihre Kugeln in die gewünschte Richtung zu rollen. Besonders lustig war ein Käferduo, das den Anschein erweckte, bei dem Mistkugeltransport zusammenzuarbeiten. Der eine dirigierte unermüdlich die Kugel, während der andere neben ihm her lief und ihn – so sah es zumindest für uns aus) – anfeuerte und motivierte.
Auf der Suche nach weiteren Elefanten schauten wir noch einmal beim Harpoor Dam und Rooidam Wasserloch vorbei. Aber wieder war hier nur gähnende Leere. So fuhren wir weiter zum Zuurkop Lookout. Dieser Aussichtspunkt befindet sich auf einem der höchsten Hügel im Addo Elephant Park und bietet einen tollen Blick über die weite Buschlandschaft. Man darf dort auch aus dem Auto aussteigen, wenngleich ein Schild vor Löwenbegegnungen warnt.
Zum Abschluss des Tages wollten wir noch den östlichen Teil des Parks auf dem Gorah Loop erkunden. In der Nähe des künstlichen Wasserlochs Carol‘s Rest war es landschaftlich wunderschön: Saftig grüne Wiesen mit gelben Blumen und dazwischen immer wieder waldige Abschnitte dominierten hier. Wir waren sehr begeistert und ein bisschen traurig, dass wir diesen schönen Ort erst so spät gefunden hatten. Nun blieb uns leider nicht mehr viel Zeit.
Während wir noch die Landschaft genossen, entdeckten wir plötzlich zwischen den Bäumen einen Elefanten. Aufgeregt fuhren wir die Straße etwas weiter und sahen kurz darauf noch mehr Tiere in dem kleinen Waldgebiet. Sogar zwei kleine Babyelefanten schienen zu der Herde zu gehören. Leider konnte man die Tiere zwischen den Bäumen nur schlecht erkennen. Da die sie aber die ganze Zeit in Bewegung waren, hofften wir sehr, dass sie bald aus dem Wald rauskämen. Nach kurzem Warten sah es tatsächlich so aus als zöge die Herde zum Carol’s Rest Wasserloch. Schnell wendeten wir das Auto und folgten der Straße zurück zu der künstlichen Wasserstelle.
Dort suchten wir uns eine gute Parkposition mit perfektem Blick, stellten den Motor aus und warteten geduldig. Und wirklich: Wir hatten einen guten Riecher gehabt! Schon nach wenigen Minuten kamen die ersten Elefanten aus dem Wald heraus. Die Leitkuh ging voraus, während die anderen Tiere ihr gemächlich folgten. Auch die zwei kleinen Jungtiere waren dabei. Voller Lebensfreude rannten sie das letzte Stück zum Wasserloch. Das war sooo süß! Schließlich versammelte sich die ganze Herde rund um die Wasserstelle und trank ausgiebig, bevor ein Tier nach dem anderen zurück zum Wald marschierte und dort verschwand. Es hatte den Anschein, dass sich noch viel mehr Elefanten in dem Waldgebiet tummelten, aber da die Sonne bereits unterging und das Gate in einer halben Stunde schließen würde, mussten wir uns schweren Herzens trennen und den Rückweg zum Camp antreten. Ohne Umwege brausten wir zum Gate und waren nur wenige Minuten vor Toresschluss raus aus dem Park.
Für den Abend hatten wir, wie gestern, einen Tisch beim Cattle Baron bestellt. Ich konnte es nicht lassen und musste unbedingt nochmal das leckere Filetsteak mit Madagaskar-Pfeffersoße bestellen. Frank entschied sich für das Chateaubriand, das mit Brandy flambiert und mit einer Champignoncremesoße und Pommes serviert wurde. Hinterher wagten wir einen zweiten Versuch mit dem Malva Pudding, den wir ja in Wilderness schon mal probiert hatten, kamen aber zu dem Entschluss, dass dieses Dessert nicht so ganz unser Ding ist. Das gesamte Abendessen war wieder ausgezeichnet, und der Cattle Baron steht seitdem hoch oben auf der Liste unserer Lieblingslokale.