Freitag, 20.5.2016 – von Bagnoregio nach Pienza
Eigentlich hatten wir geplant, vor Sonnenaufgang aufzustehen, um diesen am Aussichtspunkt der Civita anzuschauen. Als der Wecker sich meldete, sahen wir aber bei einem Blick aus dem Camper, dass es immer noch leicht regnete und der Himmel bewölkt war. Ein schöner Sonnenaufgang war also eher unwahrscheinlich. Wir drehten uns nochmal um und schlummerten schnell wieder ein.
Erst um 7 Uhr kletterten wir aus den Federn, zogen uns an und frühstückten gemütlich. Wir hatten es ja nicht besonders eilig. Nachdem wir das Frühstücksgeschirr abgewaschen und unseren Kram in die Staufächer gepackt hatten, waren wir abfahrbereit. Der Regen hatte sich mittlerweile verzogen und der Himmel lockerte mehr und mehr auf. Einen kurzen Zwischenstopp legten wir beim nahegelegenen Supermarkt, dem wir gestern schon einen Besuch abgestattet hatten, ein.
Dann fuhren wir über die Via Roma und den Corso Guiseppe Mazzini durch den Ort in Richtung Civita. Die schmale, bordsteinlose Einbahnstraße, die rechts und links von Häusern eingerahmt wird, bereitete uns leicht schwitzige Hände. Teilweise passten wir nur relativ knapp mit dem Camper hindurch und waren uns auch nicht ganz sicher, ob man das überhaupt darf. Auf dem Parkplatz beim Café Belvedere parkten wir und zogen unerlaubterweise mal keinen Parkschein, weil wir ja nur mal ganz kurz gucken wollten. Glücklicherweise stand das Tor am Café offen, so dass wir zum Aussichtspunkt durchgehen konnten.
Wir machten ein paar Fotos und fuhren anschließend nochmal zu dem schönsten Aussichtspunkt in Lubriano. Auf dem Parkplatz war die einzige große Lücke für Behinderte vorgesehen, aber da wir ja auch hier nur mal kurz schauen wollten, stellten wir unseren Camper dort hinein. Oh oh, so viele Verbote an einem Morgen hatten wir bisher noch nie überschritten. Ich bin da ja immer etwas überkorrekt und schimpfe mit Frank, aber den kratzt das nicht die Bohne 😉
Auch hier machten wir ein paar Fotos. Der Himmel wies nun schon größere blaue Löcher auf und die Sonne zeigte sich immer wieder und sorgte für ein gutes Licht. Das war doch deutlich besser als gestern Nachmittag!
Zufrieden machten wir uns auf die Weiterreise, und die führte uns zunächst ins 43 km entfernte Pitigliano. An der Stadt waren wir bei unserem letzten Toskanaurlaub schon vorbeigefahren, aber für einen Besuch des alten Ortskerns hatte es damals zeitlich nicht gereicht. Der mittelalterliche, auf einem steilen Tuffsteinfelsen gelegene Ortskern, ist mit Sicherheit einer der Schönsten der Toskana und schon von weitem unübersehbar. Über die SS74 fuhren wir in die Stadt hinein und parkten kostenlos auf einem Parkplatz zwischen Via Sant’Anna und Via Don Giuseppe Fabriziani. Von hier aus folgten wir der SS74 einfach zu Fuß weiter geradeaus. An der nächsten Rechtskurve blickt man bereits auf die Altstadt. Hier kann man auch der kleinen Einbahnstraße, die nach links zum Friedhof abzweigt, ein Stück folgen. Dann hat man einen fantastischen Panoramablick auf den Ort, der wie aus dem rot-beigen Felsen gewachsen scheint.
Über die Piazza Garibaldi betraten wir wenig später das historische Zentrum. Erfreulicherweise war es hier am frühen Vormittag (ca. 10.30 Uhr) noch sehr ruhig und fast verschlafen. Die üblichen Touristenströme blieben uns erspart. Wir überquerten den Platz und gelangten über die Via Cavour zur Piazza della Repubblica, an der sich der Palazzo Orsini befindet. Er ist ehemaliger Herrschaftssitz und beherbergt heute zwei Museen. Weiter schlenderten wir durch die engen, autofreien Gassen des charmanten Stadtkerns. Lediglich die in allen Farben vorkommenden Vespacars, die sich in Italien generell großer Beliebtheit erfreuen, sind erlaubt und findet man an jeder Ecke. Wir stöberten jede Menge schöne Fotomotive auf und genossen die herrliche Ruhe. Etwa eine Stunde später kehrten wir zum Parkplatz zurück und setzten unseren Weg fort.
Wir fuhren durch Sorano und von dort aus über kurvenreiche Schleichwege, die ich mir spontan bei Google Maps ausguckte, nach Santa Fiora. Frank war irgendwann so genervt von den vielen, in Serpentinen bergauf und dann wieder bergab verlaufenden Sträßchen, dass wir schließlich auf direktem Wege die SS323 ansteuerten, die uns ohne Umschweife und halbwegs schnell nach Castiglione d’Orcia brachte. Nachdem wir den Ort passiert hatten, führte die Straße in Serpentinen stetig bergab. Hier gelangten wir langsam wieder in sehr vertraute Gefilde. Nach zwei letzten Kehren tauchten zu unserer Rechten bald die Felder auf, von denen aus man auf den bekannten Agriturismo Covili mit seiner legendären Zypressenallee blickt. Hier fuhren wir an einer Haltebucht raus und stiegen aus dem Wagen. Aber was war das? In den Kornfeldern, die bei unserem letzten Aufenthalt noch mit unzähligen Mohnblumen gesprenkelt waren, war kein einziger roter Tupfer zu sehen. Das durfte doch nicht wahr sein… die Mohnblumen waren komplett verschwunden. Alles war wunderbar grün, aber ohne die Mohnblumen halt ein bisschen eintönig. Wir waren sehr enttäuscht, denn dies war einer unserer liebsten Fotospots gewesen. Bei unserem letzten Urlaub waren wir viele Male hier gewesen und hatten uns sehr auf das Revival gefreut. Und das gab es nun nicht. Unmotiviert machten wir zwei oder drei Aufnahmen und fuhren dann etwas frustriert weiter.
Über die SR2 erreichten wir San Quirico d’Orcia und bogen dort auf die SP146 nach Pienza ab. Kurz nach dem nicht zu übersehenden Wellness Center Casanova hielten wir in der Parkbucht auf der rechten Staßenseite (GPS: 43.064959, 11.611358). Von hier aus soll man, laut Tipps im Internet, die Traumfotolocation „Villa Belvedere“ erreichen. Da sich direkt hinter der Parkbucht ein Anwesen befindet, gingen wir ein kleines Stück an der Straße entlang, durchquerten einen Olivenhain und standen dann vor einem Feld, von dem aus man über die Hügellandschaft und das malerische, von Olivenbäumen und Weinstöcken umgebene Anwesen schaut. Der Fotopunkt ist nicht schlecht, aber wir waren uns sicher, dass es auch noch einen besseren gibt. Dem wollten wir uns jedoch erst morgen widmen, denn heute war es ohnehin zu bewölkt für richtig gute Fotos.
So kraxelten wir wieder zurück zur Straße und überquerten diese. Nur wenige Meter weiter befindet sich nämlich auf der anderen Straßenseite eine weitere Parkbucht bzw. Einfahrt. Wenn man hier durch das von zwei Zypressen flankierte Eisentor blickt, eröffnet sich ein schöner Blick auf ein schickes Anwesen, zu dem eine schnurgerade Zypressenallee hinaufführt (GPS: 43.065489, 11.612116).
Nachdem wir nun auch diesen Fotopunkt abgeklappert hatten, beschlossen wir, zum Camper zurückzukehren und langsam umzudrehen. Wir hatten uns für die nächste Übernachtung einen Bauernhof mit angeschlossenem Mini-Campingplatz (8 Stellplätze) ausgeguckt. Der Bauernhof heißt „Podere Il Cocco“ und befindet sich ca. 5 km hinter Montalcino. Wir hatten den Tipp aus dem ADAC Campingführer, und da es im Val d’Orcia unseres Wissens nicht viele Campingmöglichkeiten gibt, waren wir sehr glücklich, eine mögliche Bleibe gefunden zu haben.
Wir cruisten die SP146 zurück nach San Quirico und wechselten dort auf die SR2 in Richtung Montalcino. An der Ausfahrt Montalcino fuhren wir ab und auf die SP14, die uns hinauf zu dem urigen Bergdorf brachte. Etwa 3 km hinter Montalcino bogen wir in eine nach links abzweigende Schotterpiste ein (Hinweisschild zu Il Cocco), der wir weitere 2 km folgten und dann das Podere Il Cocco erreichten. Wir stiegen aus und wurden direkt vom Hausherren und seinem Hund empfangen. Es war gar kein Problem, einen Stellplatz zu bekommen. Wir sollten einfach zu dem Campingareal durchfahren und uns einen Platz aussuchen. Gesagt, getan. Der Schotterplatz befand sich inmitten eines kleinen Pinienwaldes und grenzte an einen Weinstock. Das gefiel uns wirklich gut. Es war herrlich ruhig und einsam. Kein Fußballplatz, kein Tennisplatz, kein gar nichts. So kann man’s aushalten.
Wir positionieren den Camper zwischen zwei Pinienbäumen und legten die Unterlegklötze unter die Hinterreifen, da wir doch recht arg nach hinten runterhingen. Überhaupt standen wir ziemlich schief… auf dem Schotter hätten wir mit Sicherheit ebenmäßiger gestanden. Aber da es uns zwischen den Pinien so gut gefiel, ließen wir es so und beschlossen, in der kommenden Nacht im Bett andersrum als sonst zu liegen, um keinen Blutstau im Kopf zu kriegen 😉
Danach gingen wir nochmal rüber zum Bauernhaus und fragten den Besitzer nach Duschen. Die gab es hier leider nicht, also würden wir heute ausnahmsweise im Camper duschen müssen. Na das konnte in dem engen Bad ja ein Vergnügen werden. Ich schulterte vorsichtshalber schon mal die Gießkanne und verfrachtete diverse Ladungen Frischwasser, die ich vom Wasserhahn holte, in unseren Wassertank, bis dieser schließlich überlief. Jedenfalls würde das Wasser nun zum Duschen sicher ausreichen. Und anschließend würde ich halt nochmal Wasser schleppen. Strom war glücklicherweise vorhanden; so stand einer Dusche mit warmem Wasser nichts im Wege.
Da es noch nicht so spät war, machten wir einen kleinen Spaziergang. Das Wetter wurde immer besser und die Wolken lösten sich Stück für Stück auf. Nur der Wind war noch recht frisch. Als wir zum Campingplatz zurückkehrten, hatte sich dort ein Wohnmobil eingefunden. Die beiden Besitzer kamen aus Neuss; also ganz aus unserer Nähe. Noch viel lustiger fanden wir aber, dass kurz darauf ein Wohnmobil mit Bochumer Kennzeichen eintrudelte. Ja war hier denn ein Nest? Musste man denn erst in die Toskana kommen, um hier seine „Nachbarschaft“ zu treffen?
Ich beschloss, dass es nun an der Zeit war, das Projekt Dusche zu starten. In der kleinen Duschtasse war es äußerst beengt, und der Duschvorhang, den man einmal komplett um sich herum ziehen muss, um nicht das ganze Bad inklusive Badutensilien mit zu duschen, kam mir immer wieder bedrohlich nah und wollte sich an mich dranheften. Bäh, das ging ja mal gar nicht. Angeekelt versuchte ich, das anhängliche Ding mit einer Hand von mir fernzuhalten, während ich mit der anderen Hand den Duschkopf dirigierte. Um so wenig wie möglich Wasser zu verbrauchen, stellte ich dieses bei jeder Einschäumaktion schnell aus und erst danach wieder an. Das klappte soweit ganz gut. Etwas blöd war nur, dass das Wasser aufgrund unserer Schieflage in eine Ecke lief und nicht den Weg zum Abfluss fand. Nach mir war Frank an der Reihe, und danach mussten wir erstmal das Restwasser zum Ablauf schubsen und den Boden halbwegs trocken kriegen. Wäre ja doof, beim zur Toilette gehen immer in einer Wasserlache zu stehen. Außerdem schleppte ich nochmal ein paar Kannen Wasser zum Camper und füllte den Wassertank wieder auf. Als alles erledigt war, hätte ich gleich nochmal duschen gehen können, so sehr hatte mich die ganze Prozedur ins Schwitzen gebracht…
Zur Belohnung gab’s nun erstmal Abendessen. Wir hatten noch reichlich Brot, Käse und Salami, und so gab es wieder eine leckere Brotzeit. Unsere Mitcamper gingen alle im Restaurant des Il Cocco essen. Auf Vorreservierung ist das nämlich ab 19 Uhr möglich. Wir spazierten lieber im goldenen Abendlicht durch den Weinberg und hockten uns ein bisschen vor das Bauernhaus, um dort das kostenlose WLAN zu nutzen. Gegen 22 Uhr verschanzten wir uns im Camper und krochen ins warme Bettchen.
Tagesetappe: 155 km
Übernachtung: Podere Il Cocco, Campingplatz
Preis: 10 € pro Nacht (Strom und Wasser, aber keine Duschen, Toiletten oder Entsorgungsmöglichkeiten)