Auf die heute anstehende Rentierschlittenfahrt waren wir schon extrem gespannt. Die knuffigen Tierchen hatten wir in Norwegen bereits in freier Wildbahn beobachten können, und nun freuten wir uns darauf, ihnen einmal ganz nahe zu kommen.
Da der Ausflug zur Rentierfarm erst um 11.45 Uhr startete, beschlossen wir, nach dem Frühstück einen schönen Schneespaziergang zu machen. Draußen war es extrem kalt – sicher mehr als minus 30 Grad – und uns froren sofort wieder die Wimpern, Augenbrauen und Nasenhaare ein. Ansonsten war das Wetter aber wirklich top und die Kälte, dank unserer zahlreichen Kleidungsschichten, gut auszuhalten.
Wir liefen an den Pisten und Liften vorbei und bogen beim „Kid’s Land“ auf einen Waldwanderweg ab. Der pulverige Schnee knirschte unter unseren Füßen, während es ansonsten wunderbar still war. Die schneebedeckten Tannen schufen ein einzigartig schönes Märchenland. So sollte ein richtiger Winter sein! Gemütlich spazierten wir gut anderthalb Stunden in trauter Zweisamkeit den Waldpfad entlang, machten viele tolle Fotos und kamen irgendwann automatisch zurück zum Ort. Da es zeitlich prima passte, liefen wir direkt weiter zur Touristeninformation, von wo aus unser Ausflug starten sollte.
Dort fanden sich sehr bald neben uns noch jede Menge andere Ausflügler ein. Na das versprach ja eine Massenveranstaltung zu werden. Der Bus fuhr pünktlich vor, alle kletterten hinein, und schon fuhren wir los zur Rentierfarm. Um ca. 12 Uhr trafen wir dort ein und wurden von einer Farmangestellten ohne Umschweife in eine Hütte gelotst. Uns wurde erklärt, dass die Schlittenfahrt von 6 km auf 1 km gekürzt worden sei, da die Strecke über den zugefrorenen See führt und es dort -39 Grad hätte. Das wäre einfach zu kalt für uns und auch für die Rentiere. Ich war ein bisschen enttäuscht, aber gleichzeitig auch froh, dass die Tour überhaupt stattfand.
Als nächstes bekamen wir einige Informationen über die Rentiere erzählt. Dabei erfuhren wir unter anderem, dass es sich bei der Herde um halbwilde Tiere handelt, die sich normalerweise frei in den Wäldern bewegen. Zum Winter hin werden Sie dann per GPS geortet und zusammengetrieben, um in der kalten Jahreszeit auf der Farm zu leben und von den Hirten versorgt zu werden. Da die Tiere nicht zahm sind, sollten wir ihnen verständlicherweise nicht zu sehr auf die Pelle rücken. Ansonsten fühlen sie sich bedrängt und treten auch gern mal mit ihren kräftigen, breiten Hufen aus, was entsprechend schmerzhaft enden kann.
Für die Schlittenfahrt wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Während die erste Gruppe zügig aufbrach, hatten wir ein bisschen Zeit, uns auf der Farm umzusehen und die in den Pferchen verbliebenen Rentiere zu besuchen. Die meisten Tiere waren sehr neugierig und kamen sofort zum Zaun gelaufen. Sie steckten ihre schneebepuderten Nasen zwischen den Latten hindurch und schnupperten interessiert an unseren Händen. Verzückt schossen wir jede Menge Fotos und konnten uns kaum losreißen. Eine der Farmangestellten rief mehrfach nach uns, da wir lieber zum Aufwärmen und Teetrinken in die Hütte kommen sollten, aber wir fanden es hier draußen natürlich um einiges spannender.
Nachdem wir uns dann doch noch kurz aufgewärmt hatten, kam auch schon die erste Gruppe von ihrer Schlittenfahrt zurück. Nun waren also wir dran. Aufgeregt liefen wir zu den wartenden Schlitten, setzten uns in einen hinein und wurden in dicke Decken eingepackt. Vor zwei der anderen Schlitten wurde im Handumdrehen ein Rentier gespannt. Kaum wurden die Tiere von dem Hirten losgelassen, sausten so auch schon über die extra angelegte Piste von dannen. Wow, das sah ja spannend aus. Nun brachte der Hirte unser Rentier herbei. Es war ein weißes Männchen mit nur einem langen Horn, von dem ein paar Ästchen unkoordiniert abzweigten. Ein lustig aussehender Bursche, der den Namen Ville trug.
Ville wurde vor unseren Schlitten gespannt, und Frank bekam ein Seil in die Hand gedrückt, das an dem Geschirr befestigt war. Damit konnten wir das Rentier bei Bedarf bremsen. Der Hirte führte uns zur Piste und ließ uns dann los. Und was machte Ville? Der Kerl lief gemächlich bis zum nächsten am Wegesrand stehenden Strauch und labte sich an den Zweigen. „Komm schon, Ville, vorwärts!“ feuerte ich ihn an, während Frank mit der Kordel wackelte. Das Rentier drehte den Kopf und schaute uns mit seinen Glubschaugen fragend und ein bisschen trotzig an. Dann knabberte es weiter an den Ästchen und pinkelte ganz in Ruhe. Nach einer gefühlten Ewigkeit erbarmte sich Ville, trottete ein paar Meter weiter, schnupperte interessiert am Schnee und erreichte schließlich den nächsten gutschmeckenden Strauch.
Das ging eine ganze Weile so weiter und war zwar ganz amüsant, machte aber irgendwann auch keinen Spaß mehr. Denn es war wirklich verdammt kalt hier draußen auf dem See. Am meisten leid tat mir allerdings das Paar in dem Schlitten hinter uns. Deren Rentier wollte nämlich sehr gern laufen, kam aber auf der schmalen Piste nicht an uns vorbei. So hing es uns mit seinem Schädel im wahrsten Sinne des Wortes im Nacken und prustete ab und zu auch noch lautstark.
Schließlich eilte uns der Hirte mitsamt Rentier und Schlitten zu Hilfe. Als er uns vorausfuhr ließ Ville sich netterweise dazu herab, ihm zu folgen. Ja, zu Anfang trabte er sogar ein paar Meter hinterher, bis ihm dann wohl auffiel, was er da tat und er umgehend abbremste. Im gemächlichen Zockenschritt ging es die letzten Meter bis zum Startpunkt zurück.
Wir waren nicht ganz unglücklich, wieder aus dem Schlitten rauszukommen, denn uns froren langsam aber sicher trotz der Decken die Zehen ab. Noch einmal gingen wir rüber zu den Gehegen, wo wir beim Füttern der Rentiere mithelfen. Leider mussten wir viel zu schnell wieder zum Bus zurück. Sehr gern wären wir noch etwas länger bei den drolligen Tierchen geblieben.
Zurück in Levi verschlug es uns in ein gemütliches Café, in dem wir uns aufwärmten und uns Kuchen und Kakao gönnten. Danach kauften wir noch ein paar Souvenirs und kehrten dann zurück in unsere Wohnung.
Später besuchten wir das Rock Café, das dieses Mal glücklicherweise geöffnet hatte. In nettem Ambiente vertilgten wir superleckere Burger mit Pommes und ließen den Abend ausklingen.