Am nächsten Morgen frühstückten wir wieder ganz gemütlich und machten uns gegen halb zehn auf den Weg zum Zero Point Skiverleih, der sich direkt am Fuß der Pisten und nur wenige Meter von unserem Apartmenthotel entfernt befindet. Nach ein paar Formalitäten bekamen wir Skischuhe, Skier und Skistöcke ausgehändigt, zahlten die Leihgebühr von 68€ und marschierten weiter zum Ticketschalter, wo wir einen Ganztagesskipass erwarben.
Die nette Dame am Schalter erklärte uns, dass wir vom Tal aus zunächst den Schlepplift nehmen sollten. Oben angekommen könnten wir die blaue Piste zur Gondelbahn nehmen und mit dieser ganz nach oben auf den Berg fahren, von wo aus dann zahlreiche blaue und rote Pisten abgehen. Ich war erstmal total geschockt: Ausgerechnet ein Schlepplift!!! Daran hatte ich mal so gar keine guten Erinnerungen. Ich war in meinem Leben ohnehin nur wenige Male Ski gelaufen… einmal als Kind gemeinsam mit meinen Eltern, einmal mit als Teenie mit dem Westdeutschen Skiverband und einmal gemeinsam mit Frank in Kanada. Und an Schlepplifte hatte ich durchweg schlechte Erinnerungen.
Ich sah mich in Gedanken schon hinfallen und den Hang durch den Tiefschnee nach unten krabbeln. Was für eine Horrorvorstellung. Frank war natürlich die Ruhe selbst und meinte, dass das doch alles gar nicht so schlimm wäre und dass ich mich nur mal wieder anstellen würde. Ja, kann sein… aber ich hatte leider wirklich Angst vor diesem Schlepplift und wollte eigentlich nur noch in ein Mauseloch verschwinden und mich tot stellen. Die einzige Alternative war, mit der Gondelbahn bis zum Hotel Panorama zu fahren, von dort aus einen Tellerlift zu nehmen und eine kurze, blaue Übungspiste zu fahren. Zurück ins Tal führte von dort aus aber nur eine rote Piste oder halt die Gondelbahn. Das war auch keine gute Alternative, dachte ich.
Also überwand ich mich schließlich und rutschte etwas unsicher auf meinen Skiern zum Schlepplift rüber. Als dann erstmal der Anker unter meinem Po klemmte und wir den Hang hochgezogen wurden, ging es eigentlich erstaunlich gut. Frank versuchte meinen starren Blick von den Skiern wegzulenken („Schau mal, was hier für Schneemassen auf den Tannen liegen. Das sieht ja geil aus!“) und ehe ich mich versah, mussten wir auch schon „aussteigen“. Das gelang soweit ohne Sturz, und nun konnte ich mich auch endlich für meine Umgebung begeistern.
Die Bäume waren hier oben kaum noch als solche erkennbar, denn es lag so viel Schnee auf ihnen, dass sie eher wie wundersame Skulpturen aussahen. Selbst die Stämme waren dick mit Schnee überzogen. Alles schien wie erstarrt in dieser weißen Stille. Die Kälte ließ uns allerdings auch sehr bald erstarren. Irgendwie hatten die Temperaturen noch mehr angezogen und schnell begannen unsere Hände und Gesichter zu schmerzen. Wir zogen unsere Schals bis über die Nase hoch, und bald waren diese durch die Atemluft steif gefroren. An den Wimpern und Augenbrauen sammelten sich kleine Eisklumpen; besonders Frank sah innerhalb kürzester Zeit wie ein Schneemann aus.
Es wurde Zeit, in Bewegung zu kommen. Nach einem Blick auf den Pistenplan und andere mit dem Schlepplift eingetroffene Skifahrer, konnten wir die richtige blaue Piste identifizieren und fuhren los. Die Piste war für Frank keine Herausforderung, und auch ich kam ohne besondere Zwischenfälle in schneepflugartigen, uneleganten Bögen an der Gondelstation an. Anstehen mussten wir hier genauso wenig wie unten am Schlepplift. Im Gegenteil: Hier gab es nirgendwo Menschenschlangen, und wir konnten ohne Warterei überall einsteigen. Die Gondelkabine hatten wir sogar ganz für uns allein. Das gefiel uns richtig gut. Die Fahrt war relativ kurz, und als wir die Baumgrenze hinter uns gelassen hatten, pfiff ein strenger Wind um unsere Kabine herum. Na das konnte ja heiter werden, denn schon ohne Wind war die Kälte eine echte Herausforderung.
Kurz darauf stiegen wir auch schon aus, schnappten unsere Skier und sahen uns um. Der Wind war nicht so schlimm, wie angenommen, doch wir waren hier oben vollkommen ungeschützt. Da half nur losfahren und warm werden. Aber wo um Himmels Willen mussten wir lang? Es gab einige Holzschilder, auf denen Pfeile zu verschiedenen Pisten wiesen, jedoch war es gar nicht so einfach, diese Pisten dann auch zu identifizieren. Stirnrunzelnd betrachteten wir den Pistenplan und versuchten die ausgezeichneten Pisten irgendwie zuzuordnen. Das verwirrte uns aber nur noch mehr.
Ich war ohnehin dafür, die einzige grüne Piste zu fahren, denn die war schön lang und irgendwo hatte ich gelesen, dass grüne Pisten noch anfängerfreundlicher sind, als blaue. Also genau das Richtige für mich. Frank murmelte was von „Ziehweg“ und „langweilig“, aber um des lieben Friedens willen suchten wir dann die grüne Piste und wurden prompt fündig.
Leider muss ich zugeben, dass Frank vollkommen Recht hatte: Die Piste besaß kaum ein Gefälle und war einfach nur öde. Von allein kamen die Skier kaum in Gang, so dass wir uns hauptsächlich mit den Stöcken schiebend vorwärts bewegten. Immerhin wurde uns dabei schön warm.
Das einzige Highlight waren die Bäume neben der Piste, die als solche gar nicht mehr erkennbar waren. Sie waren so dick zugeschneit, dass sie wie skurrile Skulpturen wirkten. Da mussten wir natürlich erstmal einige Fotos machen und filmen. Schade, dass es heute so düster war und die Sonne sich kein bisschen zeigen wollte. Noch dazu kam die Videokamera nicht mit der Kälte zurecht… das Bild auf dem kleinen Display war verwischt und der Akku innerhalb weniger Minuten leergezogen.
Wir folgten dem Ziehweg eine ganze Weile, bis wir plötzlich wieder dort landeten, wo wir vorhin aus dem Schlepplift ausgestiegen waren. Von hier aus fuhren wir noch einmal die blaue Piste bis zur Gondelstation runter und ließen uns erneut zur Bergstation bringen.
Nach genauerem Umschauen war uns immer noch nicht klar, welche Piste wohin führt. Frank wurde zunehmend ungeduldiger. Er wollte einfach nur losfahren, und dabei war ihm der Schwierigkeitsgrad der Piste – im Gegensatz zu mir – vollkommen egal.
Schließlich gab ich mich geschlagen und fuhr einfach hinter ihm her. Die ausgewählte Piste wurde jedoch schnell sehr steil und war an einigen Stellen übel vereist. Ich kriegte kaum noch die Kurven, bekam es mit der Angst zu tun und flog dann auch mit richtig viel Schwung hin. Im Nachhinein stellten wir fest, dass es sich wohl um eine rote Piste gehandelt haben muss. Bin ich zwar auch schon mal gefahren, aber seit mindestens 20 Jahren eben nicht mehr.
Ich war unglaublich froh, als wir den Hang endlich geschafft hatten. Danach reichte es mir und ich wollte nur noch runter von den Skiern. Allerdings mussten wir ja zunächst irgendwie ins Tal kommen. Ich war echt froh, als wir ein Hinweisschild zur grünen Piste entdeckten. Dieser folgten wir ächzend und schwitzend bis zum Hotel Panorama. Von hier aus kann man mit einer Pendelgondel runter in den Ort fahren. Lustigerweise befand sich direkt bei dem Hotel die blaue Übungspiste, die mir Frank heute Morgen als Alternative vorgeschlagen hatte. Der Hang sah gut machbar aus, und man konnte prima mit einem Tellerlift immer wieder hochfahren. Wir einigten uns, dass ich hier ein bisschen übe und Frank währenddessen ein paar Mal die rote Piste ins Tal runterfährt, damit sich das Skifahren für ihn auch ein bisschen lohnt. Gesagt, getan. So kamen wir letzten Endes beide noch auf unsere Kosten und der Skitag nahm ein recht zufriedenes Ende.
Am Nachmittag nahmen wir die Pendelgondel und fuhren runter in den Ort. Wir gaben die Skiausrüstung zurück und liefen zu unserer Wohnung, wo wir den Rest des Nachmittags relaxten.
Am frühen Abend kochten wir uns eine Packung Miracoli (haben wir von zu Hause mitgenommen), dann mussten wir uns auch schon wieder dick anziehen und los zu unserer nächsten Schneemobiltour. Eigentlich sollte es eine Nordlichter Beobachtungstour werden, aber aufgrund des dicht bewölkten Himmels rechneten wir nicht damit, die grünen Polarlichter zu Gesicht zu bekommen.
Pünktlich um 18.30 Uhr liefen wir den uns schon bekannten Weg zu KINOS Safaris und trafen dort nach etwa 10 Minuten ein. Die beiden Mitarbeiter des Safariveranstalters schauten uns irritiert an, als wir dick vermummt das Häuschen betraten und ihnen mitteilten, dass wir an der Aurora-Tour teilnehmen. Ob wir uns da sicher wären, wollte der eine Typ von uns wissen. Das könnte nämlich eigentlich gar nicht sein, da die Aurora-Tour bereits um 18 Uhr losgegangen sei und keine Teilnehmer gefehlt hätten.
Frank kramte sein Handy mit der Bestätigungsmail hervor, denn den Teilnahmezettel hatten wir dummerweise in der Wohnung liegen lassen. In der Mail stand schwarz auf weiß, dass die Aurora-Tour zwar um 19 Uhr stattfindet, allerdings mit einem anderen Tourenanbieter. Wir waren so schlau gewesen und hatten das gar nicht mehr kontrolliert, sondern waren nach der gestrigen Schneemobiltour automatisch davon ausgegangen, dass auch dieser Ausflug mit KINOS stattfindet. Wie peinlich! Zudem gerieten wir nun echt in Zeitnot, denn es war bereits 18.45 Uhr und wir mussten ganz woanders hin. Netterweise erklärte uns der KINOS Mitarbeiter den Weg zu Aurora Safaris, aber unterwegs mussten wir uns dann trotzdem nochmal bei einem Passanten erkundigen, ob wir richtig sind.
Ziemlich genau um 19 Uhr erreichten wir die Einfahrt, die zu dem Safariveranstalter führen sollte. Wir entdeckten auch direkt, wie in der Mailbeschreibung angegeben, ein rotes Gebäude, das wir suchend umrundeten. Leider konnten wir dort aber nur ein Fotostudio ausmachen.
Es dauerte bestimmt noch 5 weitere Minuten, bis wir das richtige Haus fanden. Es lag noch ein Stück weiter die Straße runter und war im Dunkeln nicht auf Anhieb erkennbar. Als wir näher kamen, sahen wir, dass die Tourteilnehmer alle schon fertig ausgerüstet neben den Schneemobilen standen. Oh Mann, das war uns wirklich sehr unangenehm.
Fix schlüpften wir in das Gebäude, wo der Guide schon etwas ungeduldig wartete und unsere Entschuldigung ohne eine Gefühlsregung entgegennahm. Wortkarg hielt er uns Overalls, Sturmmasken und Helme hin, und wir zogen uns so schnell wie möglich um. Unterschreiben mussten wir dieses Mal gar nichts, und auch unser Buchungsformular, das wir ja sowieso vergessen hatten, wollte niemand sehen. Schnell gesellten wir uns zu unseren Mitfahrern. Es waren dieses Mal sicher 16 – 20 Teilnehmer.
Wir bekamen auch hier die Handhabung des Motorschlittens im Schnelldurchlauf erklärt; dann sollten wir uns ein Gefährt aussuchen, und schon ging es los. Wir reihten uns irgendwo im hinteren Drittel ein. Der Guide legte ein Tempo an den Tag als wäre er vor irgendwas auf der Flucht. Frank musste ordentlich Gas geben, um an seinem Vordermann dranzubleiben. Die Piste war größtenteils sehr ruckelig, so dass ich mich permanent festhalten musste und gar nicht zum Filmen kam. Davon abgesehen war ich sehr froh, dass ich nicht fahren musste. Das wäre mir bei der Dunkelheit einfach zu schnell gewesen, und ich hatte sogar als Beifahrer ein bisschen Muffensausen.
Aber Frank hatte sichtlich viel Spaß und genoss es, mit dem Motorschlitten über die verschneite Piste zu flitzen. Sehr bald begannen meine Hände und Füße vor Kälte zu schmerzen, und ich war ausgesprochen dankbar, als wir nach etwa einer Dreiviertelstunde eine Kota erreichten, in der wir uns bei Tee, Kaffee und Kakao an einem gemütlichen Feuer aufwärmen konnten. Nordlichter sahen wir erwartungsgemäß leider keine, wobei ich erwähnen muss, dass es in der Nacht noch aufklarte und wir am nächsten Morgen herausfanden, dass es gegen 2 Uhr nachts eine sehr gute Gelegenheit gegeben hatte, Auroras zu sichten. Wir waren ein bisschen enttäuscht, dass wir davon nichts mitbekommen hatten.
Die Rückfahrt nach Levi ging deutlich schneller. Wieder waren wir in einem Wahnsinnstempo unterwegs. Als wir das Safarigebäude erreichten, war ich sehr erleichtert, und alles in allem hätte ich auf diesen Ausflug gut verzichten können. Tagsüber macht es einfach mehr Laune, durch die verschneite Landschaft zu kurven.
Wir gaben unsere Schutzbekleidung zurück und liefen flotten Schrittes zurück zu unserer Unterkunft, wo wir bei einer schönen, heißen Dusche und einem Saunagang ganz langsam wieder auftauten.