Sonntag, 22.5.2016 – Pienza
Auch dieser Morgen begrüßte uns mit viel Sonne und einem wolkenlosen, blauen Himmel.
Nach dem Frühstück fuhren wir zur Entsorgungsstation, ließen unser Abwasser ab und entleerten die chemische Toilette. Als wir das Tor zum Farmhaus passierten, sahen wir die Frau von gestern Nachmittag, die kein englisch sprach, im Garten. Sie sah uns ebenfalls und rannte eilig ins Haus. „Die holt bestimmt den Sohn“, meinte ich grinsend. Wir hielten an und sprangen aus dem Fahrzeug. Und tatsächlich kam wenige Sekunden später ein junger Mann aus dem Haus und zum Tor herüber. Nach einer Begrüßung erklärten wir ihm, dass wir noch eine weitere Nacht bleiben, morgen aber früh los wollten. Er war natürlich damit einverstanden, dass wir sofort bezahlten. Auf weitere Formalitäten legte er keinen Wert. Nachdem er uns noch das Passwort fürs WLAN genannt hatte, saßen wir auch schon wieder im Camper und düsten los.
Für heute hatten wir eine kleine Tour durch die Crete Senesi geplant. Diese von Lehmhügeln, riesigen Getreidefeldern, Schafweiden, Zypressen und zerfurchten Abhängen geprägte Landschaft erstreckt sich südlich von Siena und umfasst die Gemeinden San Giovanni d’Asso, Asciano, Buonconvento, Monteroni d’Arbia und Rapolano Terme.
Bei San Quirico d’Orcia fuhren wir auf die SR2 und folgten dieser bis Torrenieri. Dort nahmen wir die SP14 nach San Giovanni d’Asso. Plötzlich glaubten wir, unseren Augen nicht zu trauen, als zu unserer rechten Seite ein großes, rot leuchtendes Feld auftauchte. Das waren doch nicht etwa Mohnblumen? Doch, waren es. Kurzerhand fuhren wir links in eine Einfahrt, ließen den Camper dort stehen und stiefelten rüber zur anderen Straßenseite, um das Mohnblumenfeld ausgiebig zu bewundern und zu fotografieren. Das war mal ein richtiges Highlight!
Anschließend folgten wir der Straße weiter bis San Giovanni d’Asso, wo wir auf die SP60 wechselten, die uns mitten hinein in die Crete führte. Etwas später nahmen wir eine Abzweigung nach links in Richtung Chiusure/Buonconvento (Strada Provinciale del Pecorile), und dort ging es dann weiter auf der bilderbuchreifen SP451 bis Asciano. Die Landschaft war, jetzt im Mai, deutlich lieblicher als im Herbst, wenn sie eher einer graubraunen Mondlandschaft gleicht. Am liebsten wollten wir an jeder Ecke anhalten und Fotos machen, doch leider gab es kaum Haltebuchten, und wenn dann doch mal eine auftauchte, störten häufig die Stromleitungen neben der Straße das Idyll.
In Asciano drehten wir um und fuhren dieselbe Straße zurück, dieses Mal allerdings nicht über Chiusure, sondern der SP451 weiter folgend vorbei an der Abtei Monte Oliveto Maggiore bis nach Buonconvento. Dort stießen wir wieder auf die SR2, der so lange folgten, bis wir kurz vor Castiglione d’Orcia den Agriturismo Covili mit seiner tollen Zypressenallee auf der linken Straßenseite erblickten. Hier legten wir einen kurzen Fotostopp ein. Der Menschenauflauf an der Hofeinfahrt war enorm. Vor allem viele japanische Touristen hatten hergefunden, um dieses typisch toskanische Fotomotiv einmal selber abzulichten. Der Hof hat aber auch wirklich den Nachteil, dass er direkt an der Hauptstraße liegt und schon von weitem ins Auge sticht.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein oft übersehenes, aber ebenfalls sehr hübsches Fotomotiv: Der auf einem Hügel gelegene, von Olivenbäumen und Zypressen umgebene Agriturismo Istiano mit dem Rocca d’Orcia im Hintergrund.
Nun hatten wir alle uns wichtige Fotospots im Val d‘Orcia abgeklappert. Zufrieden fuhren wir zurück nach Pienza. Wie bereits gestern parkten wir an der Kirche Pieve di Corsignano und liefen das kleine Stück zum Ortskern hinauf. An der Piazza Dante Alighieri fand eine Art Markt statt, und so war mal wieder jede Menge los. Wir stürzten uns ins Getümmel, stellten aber etwas enttäuscht fest, dass hauptsächlich Klamotten angeboten wurden. Kunsthandwerk und typisch toskanische Produkte suchte man hier vergebens. Im Ort waren ganz unerwartet die meisten Geschäfte geöffnet. Spontan gingen wir nochmal in den kleinen Lebensmittelladen von gestern und kauften grüne Oliven und noch eine Packung der unglaublich leckeren Mandel Cantuccini. Dann probierten wir das Eis der Gelateria Fredo, das ganz in Ordnung war, aber bei Weitem nicht an das Eis der Gelateria Dondoli in San Gimignano rankam. Ich frage mich, ob wir mittlerweile so anspruchsvoll geworden sind oder ob es wirklich so schwer ist, gutes Eis zu machen…
Wir stöberten noch eine Weile durch den Ort, auf der Suche nach einem frischen Brot fürs Abendessen. Doch das stellte sich als nahezu unmöglich heraus. An einem Sonntag schien keiner der Lebensmittelläden Bäckereiprodukte zu führen. Letztendlich hatten wir aber doch noch Glück und bekamen ein halbes Weißbrot. Gemütlich schlenderten wir zurück zum Camper und fuhren über die uns mittlerweile schon im Schlaf bekannte SP146 in Richtung Belvedere, um dort den Sonnenuntergang zu verbringen. Unterwegs hielten wir an einem Aussichtspunkt zur Kapelle Vitaleta (GPS: 43.071776, 11.619005). Dort spazierten wir ein Stück einen kleinen Feldweg entlang, von dem aus wir nicht nur die hübsche, kleine Kapelle sondern auch Pienza sahen. Ein sehr lohnenswerter Abstecher, wie wir finden.
Bis zu der Straße, die zum Agriturismo La Buca führt, fuhren wir nun keinen Kilometer mehr. Wir parkten in der Einfahrt, und da es bereits gegen 17 Uhr war, entschieden wir uns, für ein frühes Abendessen. Wir rissen alle Fenster und die Tür des Campers auf, um ein wenig Luft in unsere vier Wände zu lassen. Dann füllten wir den Esstisch mit Käse, Salami, Brot und Oliven und ließen uns dazu einen Radler (ich) und ein Peroni (Frank) schmecken.
Gut gesättigt liefen wir etwa eine Stunde später zum Aussichtspunkt. Das frühe Abendlicht war schon sehr schön: die Hügellandschaft leuchtete golden, der immer noch wolkenlose Himmel strahlte in einem tiefen Blau und die Villa Belvedere thronte so friedvoll und idyllisch auf ihrem Hügel, dass es ein Augenschmaus war.
Da es bis zum Sonnenuntergang noch ein Weilchen hin war, beschlossen wir, einen kleinen Spaziergang in Richtung der Kapelle Vitaleta zu machen. Als wir den Weg zum Agriturismo La Buca hinunterliefen, kam uns ein Pärchen entgegen, das uns davor warnte, das Gelände des Hofes zu betreten. Die beiden hatten anscheinend soeben einen ordentlichen Anschiss von den Hofbesitzern kassiert, weil sie den Weg verlassen hatten, um ein paar Fotos zu machen. Wir winkten dankend ab und erwiderten, dass wir nur den Wanderweg zur Kapelle entlanglaufen wollten. Wenig später passierten wir zu unserer Rechten einen Olivenhain und direkt im Anschluss den Bauernhof. Der Kiesweg wurde hier zu einem Feldweg, der nach einigen Metern in ein Waldgebiet eintauchte. Innerhalb des Waldes war der Boden sehr matschig. Immer wieder mussten wir große Pfützen umgehen. So kamen wir nur sehr langsam voran, und Spaß machte dieser Hindernislauf auch nicht.
Während ich gerade versuchte, eine große Matschlache zu umgehen, verlor ich die Balance, kam ins Straucheln und griff automatisch nach einem Strauch am Wegesrand, um nicht in die Mocke zu fallen. Das erwies sich unglücklicherweise als großer Fehler, denn ich bekam ausgerechnet ein paar Zweige mit Dornen zu fassen, die sich schmerzhaft in meine Hand bohrten. Ein Dorn blieb in meinem kleinen Finger stecken, so dass dieser sofort ekelhaft zu pochen anfing. Ich versuchte das fiese Teil mit den Zähnen herauszuziehen, doch das wollte einfach nicht klappen. Schließlich kehrten wir um zum Camper, wo ich mit einer Nadel und Pinzette so lange an meinem Finger rumprockelte, bis ich den Übeltäter endlich entfernt hatte. Schnell noch ein Pflaster drauf, und schon war alles wieder in Ordnung.
Mit unseren Kameras bewaffnet marschierten wir zurück zu unserem Aussichtspunkt, wo wir noch ein bisschen verweilten. Doch als die Villa Belvedere langsam im Schatten verschwand, da die Sonne mittlerweile zu tief stand, hatte Frank keine große Lust mehr zu bleiben. Ich hätte noch gern die Verfärbung des Himmels abgewartet, gab aber schnell nach, da das noch gut eine Stunde dauern konnte.
Im allerschönsten Abendlicht fuhren wir gegen 20 Uhr zurück in Richtung Montepulciano. Ein bisschen blutete mir das Herz, als ich aus dem Autofenster die Hügel und den Himmel in einem herrlich rosa-pastelligen Licht leuchten sah. Vielleicht war es ja doch ein Fehler gewesen, nicht mehr bis zum Sonnenuntergang zu warten…
Auf dem Campingplatz angekommen, stellten wir fest, dass wir deutsche Nachbarn bekommen hatten. Bei den vielen Wohnmobilen, die uns tagsüber begegnet waren, wunderte es uns sehr, dass der Campingplatz nicht längst ausgebucht war. Wo blieben die nur alle über Nacht?
Frank packte noch schnell seine Drohne aus und ließ sie eine Runde über uns fliegen. Vergnügt winkten wir hoch in die Kamera und freuten uns, so tolle Luftaufnahmen machen zu können.
Danach ließen wir den Abend gemütlich ausklingen, gingen früh ins Bett und stellten den Wecker für 5 Uhr, um zum Sonnenaufgang noch ein letztes Mal zur Villa Belvedere zu fahren.
Tagesetappe: 151 km
Übernachtung: Agricampeggio La Buca Vecchia
Preis: 20 € pro Nacht (Strom, Wasser, Ver- und Entsorgungsmöglichkeit, WLAN, aber keine Duschen oder Toiletten)